Jemand klopfte an die Tür.
„Johannes, Johannes“, rief eine Stimme,
„bist du wach?“
Johannes rieb sich die Augen.
Draußen dämmerte der Morgen.
Er öffnete die Tür einen Spalt breit.
Draußen stand Maria Magdalena.
„Johannes, wir waren beim Grab“, flüsterte sie atemlos. „Der Stein ist weg! Sie haben den Herrn weggenommen – und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben! Ich habe es auch Simon gesagt. Komm rasch!“
Johannes warf sich sein Gewand um, zog den Saum hoch und steckte ihn in den Gürtel. Die zweite Nacht nach der Hinrichtung von Jesus hatte er tief geschlafen, aber auch wirr geträumt. Und jetzt dies! Nebenan stürzte Simon aus der Tür. Die beiden Männer liefen los.
Johannes erreichte den Felsen zuerst, in den das Grab gehauen war. Tatsächlich – der schwere Stein war weg, der Eingang offen. Johannes warf einen Blick in die Grabhöhle. Der Leichnam von Jesus lag nicht mehr da, im Dämmerlicht waren bloss die Leinentücher zu erkennen.
Verwirrt wandte sich Johannes ab und blieb vor dem Grab stehen. Was war geschehen? Simon kam nach. Er bückte sich und ging in die Grabhöhle hinein. Da lagen die Leinentücher, in die Maria und die anderen Frauen den Meister gewickelt hatten – und getrennt davon, sorgsam zusammengefaltet, das Tuch, mit dem sie sein Gesicht bedeckt hatten.
Wer konnte das getan haben? Die Feinde von Jesus? Sie hatten doch eine Wache bestellt, damit niemand ins Grab eindringe. Die Römer? Sie hatten die Höhle versiegelt. Wussten Grabräuber um den Ort?
Johannes musste sich vergewissern. Nun trat auch er in den Raum, in den nur spärlich Licht fiel. Die Leinentücher da – das Gesichtstuch dort. Ordentlich zusammengelegt. Nein, da hatte niemand geraubt. In den Schrecken fuhr ein elektrisierender Gedanke: Es musste ein Wunder geschehen sein, eine Totenauferweckung!
Jesus hatte mehrfach davon gesprochen, dass er auferstehen würde nach seiner Leidenszeit –am dritten Tag. Johannes erinnerte sich. Er, Simon und die anderen Freunde von Jesus hatten, stolz über seine wachsende Popularität, seine düsteren Vorahnungen nie ernst nehmen wollen.
Aber es war geschehen. Jesus war vorgestern verraten und angeklagt, verurteilt und ans Kreuz geschlagen worden. Und gestorben. Aber jetzt – Johannes glaubte: Jesus war nicht mehr tot! Er musste wieder lebendig sein! Doch wie?
Die beiden Männer verließen die Höhle und gingen zurück. Was sollten sie ihren Freunden sagen? Eine rechte Unterhaltung kam nicht zustande. Simon war noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt – er hatte am Gerichtstag dreimal geleugnet, Jesus überhaupt zu kennen. Johannes suchte allein zu klaren Gedanken zu gelangen.
Stunden später – die Freunde von Jesus wagten sich nicht nach draußen, weil sie eine Razzia der Tempelwächter befürchteten – klopfte jemand an die Tür. Es war Maria Magdalena. „Ich habe ihn gesehen! Jesus lebt!“
„Du? Warum sollte er sich dir zeigen?“ fragten die Jünger zurück. „Simon und Johannes haben ihn nicht gesehen. Das Grab war leer – ihn aber sahen sie nicht.“
„Doch, glaubt mir, er war es! Ich kam zurück zum Grab, nachdem ich Simon und Johannes alarmiert hatte. Als ich weinend davor stand und hinein blickte, sah ich plötzlich zwei Engel in weißen Kleidern. Sie fragten mich, warum ich weine.“
„Und dann drehte ich mich um – und sah Jesus. Ich erkannte ihn nicht, meinte, er sei ein Gärtner. Er fragte mich, warum ich traurig sei und wen ich suche. Als ich ihm den Grund nannte, sagte er plötzlich meinen Namen: Maria!“
„Da stürzte ich zu ihm und rief: ‚Mein Meister!’ Er aber sagte: ‚Halte mich nicht fest! Ich bin noch nicht zum Vater zurückgekehrt. Aber geh zu meinen Brüdern und sag ihnen von mir: Ich kehre zurück zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.’ – Und nun bin ich hier.“
Maria hielt inne und blickte sich um. „Glaubt ihr mir nicht? Ich habe ihn gesehen! Und das hat er mir gesagt!“ Und sie erzählte es noch einmal. Doch den Männern, die drei Jahre mit Jesus unterwegs gewesen waren, genügte das nicht. Simon starrte vor sich hin.
Johannes versuchte in den Gesichtern zu lesen. Er glaubte: Jesus war nicht mehr bei den Toten. Aber im Kreis der Freunde überwog der Unglaube.
Stunden später, gegen Abend, stand Jesus selbst plötzlich unter ihnen. Die Tür hatte niemand geöffnet – er war da. Und sagte: „Friede sei mit euch!“ Ja, er war es! Ihr Meister! Nicht mehr tot, sondern hier, lebendig. In ihren Schock mischte sich Freude.
Jesus rief sie alle zu sich und zeigte ihnen seine Hände. Durchstochen von den Nägeln, mit denen die Römer ihn ans Kreuz geschlagen hatten. Der Leib war verwandelt: Die Wunden waren sichtbar, auch jene in der Seite, aber sie bluteten nicht mehr. Jesus war auferstanden! Ihr Meister war da!
27.03.2005
Peter Schmid
Livenet.ch
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Österlich leben
Österlich leben: trauern und weinen können, weil es so vieles zu beklagen gibt in dieser Welt.
Österlich Leben: gezeichnet von den Wunden, von denen mich Gott und das Leben nicht verschont haben.
Österlich leben: schon im Dunkeln und noch im Morgengrauen das Halleluja summen.
Österlich leben: und mich von der Hoffnung bei der Hand nehmen lassen, die mich herausführt aus den Gräbern, in die mich meine Selbstverachtung bringt.
Österlich leben: dem Klang der Botschaft lauschen, die der Osterengel verkündet, wann, wie und wo immer er mir auch begegnet.
Österlich leben: mich fragen lassen, warum ich so oft den Lebendigen bei den Toten suche.
Österlich leben: den Frauen glauben, die bezeugen, dass der Herr wahrhaft auferstanden ist.
Österlich leben: die halbherzige Freude erneuern lassen, damit sie lebendig wird in all dem Tödlichen um mich und in mir.
Österlich leben: befreit von den dunklen Mächten, die mich hindern am wahren Leben.
Österlich leben: zu denen gehören, die neu Geborene sind aus Wasser und Geist.
Österlich leben: jeden Tag neu auferstehen, um aus dem Geheimnis der Wandlung zu leben.
Österlich leben: Kraft schöpfen aus jenem Trost und jenem Frieden, mit dem der Auferstandene auch mich anspricht.
Österlich leben: berührt und begleitet von der Zusage, dass ER bei uns ist, heute und an jedem Tag.
Domvikar Paul Weismantel,
Bereichsleiter Geistliches Leben in der Diözese Würzburg
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